Ein grauer, kalter und verregneter Montagmorgen. Ein Mann im Anzug steigt in seinen Benz – Tränen in den Augen – er fährt zur Arbeit. An der Straßenecke gegenüber steigt ein Mann mit nassen Augen auf sein Fahrrad und verschwindet mühsam tretend im Verkehr.
Dass Geld allein nicht glücklich macht, ist wohl überall bekannt, aber wer würde verneinen, dass es sich in einer S-Klasse leichter weinen lässt als auf einem Fahrrad? Wie werden wir glücklich? Oder vielmehr: Was ist dieses „Glück“ denn überhaupt?
Betrachten wir uns einmal die Herkunft des Wortes: Vom Wort „leicht“ leitete sich das Verb „gelingen“ ab und davon mittelniederdeutsch „Gelucke“ oder mittelhochdeutsch „Gelücke“. Also lässt sich etymologisch das Wort Glück als das Gelungene, leicht Erreichte oder günstiger Ausgang eines Ereignisses bezeichnen.
Was sagen die Philosophen?
Thomas von Aquin: Glück ist Einhaltung der Gebote Gottes
Friedrich Nietzsche: Glück ist den Begierden zu folgen
Ludwig Wittgenstein: Glück ist Höchstmaß an Vergnügen
Immanuel Kant: Glück ist das maximale Wohlbefinden
Manche suchen ihr Glück im Sinn der Arbeit, die sie ausführen. Viele suchen ihr Glück im Geld oder im „schnellen Geld“ und wieder andere sind davon überzeugt, es nur in der Liebe zu finden. Es gibt Menschen, die jemandem nach einem schweren Unfall sagen: „Da hast du aber Glück gehabt!“, und bezeichnen es als „Glück im Unglück“. Aber wäre es nicht Glück gewesen, erst gar keinen Unfall zu bauen? Was kann man also als Glück bezeichnen?
Von dieser Frage weiß Ludwig Marcuse in seinem Werk „Philosophie zum Glück“ ein Lied zu singen. In allen Sprachen bedeutet Glück das Gleiche und doch etwas Anderes. Manche verstehen darunter in der Ruhe mit sich allein zufrieden zu sein. Ein Anderer schreit im Stillen erbittert um Hilfe, da er es als Einsamkeit interpretiert. Glück kann man nicht kurz auf den Punkt bringen. Darunter versteht man eine lange Geschichte, die zusammenzufassen wir nicht in der Lage sind. Nichtsdestotrotz kann man Glück sehen am Lächeln eines Menschen, hören in seinen Worten und fühlen durch seine Berührungen. Und doch gilt: Es ist flüchtig wie Rauch!
Natürlich beschäftigt sich auch die Literatur damit: „Ewigkeit im Augenblick“ heißt es in Max Frischs „Homo Faber“. Das heißt ja wohl: Wenn die Zeit wegfällt und man nicht mehr an die Vergangenheit, noch an die Zukunft denkt und nur im Hier und Jetzt lebt, dann ist man glücklich. Aber man wird es erst als Glück erkennen, wenn der Moment vorbei ist:
„Glück malt man mit Punkten, Unglück mit Strichen. Und dass es Glück war, wird man erst aus der Distanz sehen.“ – so Peter Stamm in „Agnes“.
Da sich Glück nur schwer beschreiben lässt, versuchen einige Menschen, es im Spiel zu finden. In einem Jahr wird durch Glücksspiel ein Umsatz von 27,4 Mrd. Euro gemacht – allein in Deutschland! Das ist eine so unfassbar große Summe, dass wir sie uns nochmal auf der Zunge vergehen lassen: Siebenundzwanzig Milliarden und Vierhundert Millionen Euro! Das wirft die Frage auf: Glauben so viele Menschen, dass sie dadurch glücklich werden können? Die traurige Erkenntnis: JA! Viele Menschen kommen in eine regelrechte Spielsucht und würden ihre eigene Oma dafür geben, noch einmal am Glücksrad zu drehen, mit der Hoffnung, doch noch das große Glück zu gewinnen. Diese Hoffnung wird von den Casinobetreibern natürlich schamlos ausgenutzt. Sie packen die Gelegenheit am Schopf und machen ihren Profit.
Die Gegner davon sind sich bewusst, dass man Glück nicht als fertig verpacktes Geschenk kaufen kann. Es kann kein Glück sein, wenn das von ihnen Versprochene zu ihrem Gewinn führt. Eher genau das Gegenteil ist der Fall! Die Grundlage zum Glück ist es, erst keinen Grund zum Glücklichsein zu haben und es unter Berücksichtigung dessen, was wirklich zählt, Schritt für Schritt aufzubauen. Nicht umsonst heißt es: „Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied.“ Den Spruch „Jeder ist seines eigenen Glückes Käufer“ – tja, den gibt es einfach nicht!
Dennoch geht es bei Glück nicht nur darum, dauernd glücklich zu sein. Man nehme das Beispiel der Achterbahn. Zuerst geht es steil nach oben, immer weiter, bis zu den Wolken, und es folgt eine scheinbar dauerhaft waagrechte Strecke. Man ist hoch oben, möglicherweise kurz fasziniert, aber auf die Dauer ist das zugegebenermaßen zum Sterben langweilig. Folgt jedoch auf einen kurzen Anstieg eine Linkskurve, dann eine nach rechts, kurz nach oben und dann in einer Schraube abwärts, fügt man zu dem ganzen noch einige Loopings und unterschiedliche Geschwindigkeiten, vielleicht noch eine Prise freier Fall hinzu, so hat man ein gutes Rezept für eine Achterbahn und DAS REZEPT fürs Glücklich-sein!
Auch Philosophen verstehen Glück nicht nur als eine andauernde Reihe schöner Erfahrungen. Es ist eine Ausgeglichenheit der positiven und negativen Eindrücke des Lebens. Wichtig hierbei: die sich einander abwechselnden Wiederholungen! Auf etwas Gutes muss auch etwas Schlechtes folgen, um so die Spannung, die uns am Leben hält, aufrecht zu erhalten. Wenn sich die Spannung nicht von allein aufrechterhält, muss man sie selbst wieder aufziehen. Manche Menschen muss man eben zu ihrem Glück zwingen. Nur so lässt man sich vor dem, was noch bevorsteht, nicht verängstigen und kann im Leben Glück erfahren.
Aus persönlicher Erfahrung kann man sagen, dass eintöniges Glück zum Scheitern verurteilt ist. Wenn man beispielsweise mit seiner Frau nicht streiten kann, fällt diese negative Seite weg. Jeder weiß jedoch, dass zu einer guten Beziehung jener Krach dazugehört, um die positiven Dinge richtig schätzen zu lernen. Somit verhindert man, dass sich etwas Gewaltiges leise anbahnt. Nicht umsonst spricht man von „der Ruhe vor dem Sturm“.
Die Wissenschaft sieht diese Sache mit dem Glück ein wenig anders. Glück sind Hormone – Dopamin und Serotonin. Zumindest sind dies Hormone, die uns etwas fühlen lassen, was wir als Glück bezeichnen. Damit lässt sich das Phänomen erklären, dass Sportler durch Erschöpfung glücklich werden und durch den körperlichen Absturz vor Glück nur so schweben. Auch Lachen trägt dazu bei und macht zudem noch gesünder. Manche Krankenhäuser stellen sogenannte Lachtherapeuten ein – nur noch ein kleiner Schritt zum verschreibungspflichtigen Rezept für einen Kabarret-Besuch. Doch es funktioniert!
Durch den Verzehr von Schokolade fühlen wir uns ebenfalls wohler. Aber Achtung! Sollte dies in einer „Fressorgie“ enden, macht sich das schlechte Gewissen sofort auf den Weg seine Arbeit zu verrichten.
Obwohl sich die Formulierung „sich glücklich essen“ nicht einmal nach einer schlechten Idee anhört, versuchen viele, das Glück auf eigene Faust zu suchen. Dazu drehen sie jeden Stein um und lassen keinen Grashalm neben dem anderen. Es wird ein Schlachtfeld hinterlassen, aber das Glück versteckt sich immer hinter dem nächsten Baum. Menschen, die so verzweifelt dem Glück hinterherrennen, werden es nie finden. Sie sind viel zu sehr damit beschäftigt, es zu finden, als zu erkennen, dass es manchmal direkt vor ihnen liegt. Doch wer nicht danach sucht und das Leben nimmt, wie es ist, dem fliegt es von alleine zu. Manchmal müssen wir darauf vertrauen, dass auch Wunder geschehen. Denn „Wenn Gott die Welt erschaffen hat, war seine Hauptsorge sicher nicht die, sie so zu machen, dass wir sie verstehen.“ (Albert Einstein). Das Streben nach Glück ist sicherlich so alt wie die Menschheit selbst. Auch Ödipus wollte hinaus in die Welt und sein Glück suchen. Das Ende vom Lied: Er hat seine Mutter geheiratet, ein Kind mit ihr gezeugt und seinen Vater erschlagen – für meinen Geschmack hat er sein Glück wohl doch nicht gefunden.
In einer der letzten Ausgaben von GEO fand ich ein Diagramm, welches den Zusammenhang zwischen abnehmender Intelligenz und zunehmendem Glücklichsein abbildet. Schlicht und ergreifend zu erklären, da sich die „dummen“ Menschen nicht darum kümmern, ob sie glücklich sind und ihnen das Schlechte im Leben nicht so viele Sorgen bereitet.
Das Paradoxon Glück! So nah und doch so fern! Was Glück für jemanden bedeutet, liegt im Auge des Betrachters. Man kann es sich vermutlich nicht kaufen und muss es sich selbst aufbauen – ohne aber danach zu suchen! Sehen wir es als prächtigen Schmetterling: Wenn man das Glück erfahren will, muss es von sich aus zu einem kommen. Es wird wieder davon fliegen, aber möglicherweise (nein: mit Sicherheit!) wieder kommen. Versuchen wir dagegen es festzuhalten – nun, dann zerdrücken wir den Schmetterling und er verliert all seine Schönheit, Eleganz und Pracht oder anders:
Glück findet nur derjenige, der jede Menge Glück hat!